Wiener Walzer von Piatnik

 In Spielerezensionen

Wiener Walzer

danke an Franky Bayer, der uns seine Rezensionen zur Verfügung stellt

Wir Österreicher sind ja ein gemütliches Völkchen. Bei uns regiert der sogenannte „Schmäh“, und wir nehmen alles etwas lockerer. Unsere Herzen schlagen im Dreivierteltakt, und Mehlspeisen sind unsere große Leidenschaft. So will es zumindest das Klischee. Aber ist das wirklich nur ein Klischee? Tatsache ist, dass vom Wiener Kongress, der von 1814 bis 1815 tagte, um nach der Niederlage Napoleons Europa neuzuordnen, behauptet wurde: „Der Kongress tanzt, aber er arbeitet nicht!“ Da dürften wohl die zahlreichen ausländischen Gäste vom österreichischen Schlendrian angesteckt worden sein…

 

So gesehen spiegelt das Spiel „Wiener Walzer“ recht gut die österreichische Seele wider: Als internationale Gäste eines großen Balls schwingen wir das Tanzbein und schnappen nach den besten Genüssen vom Buffet.

 

Jeder Spieler repräsentiert die zwölfköpfige Abordnung einer Nation (Frankreich, Preussen, Russland, Spanien und Großbritannien) und erhält die entsprechenden Gäste-Kärtchen. Die Delegation besteht aus je 6 Frauen und Männern. Die Werte von 0 bis 5 stellen wohl ihre internationale Bedeutung dar. Jeder mischt seine Kärtchen, bildet daraus einen verdeckten Stapel und nimmt dann das oberste Kärtchen auf die Hand.

 

Im Ballsaal, der je nach Spieleranzahl aus 35 bis 78 Feldern besteht, warten bereits ein paar einheimische Gäste (neutrale, weiße Gäste-Kärtchen) auf den gekennzeichneten Feldern. Die restlichen Felder werden zufällig mit allerlei Leckereien aufgefüllt. Diese Buffet-Plättchen weisen ein bis drei Stück eines von fünf Genüssen auf: Käse, Shrimpsbrötchen, Sachertorte, Kaviar oder Zigarre.

 

Wer an der Reihe ist, legt das Gäste-Kärtchen aus seiner Hand auf ein beliebiges Feld des Spielplans, auf dem noch kein Gäste-Kärtchen liegt. Das Buffetplättchen dieses Feldes legt er offen vor sich aus. Anschließend zieht er ein neues Gäste-Kärtchen von seinem Stapel auf die Hand.

 

Allmählich füllt sich auf diese Weise die Tanzfläche. Ist ein Gäste-Kärtchen auf allen vier Seiten von anderen Gästekärtchen (oder dem Spielfeldrand) umgeben, tanzt der umschlossene Gast mit einem benachbarten Gast des anderen Geschlechts. Stehen mehrere Tanzpartner zur Auswahl, entscheidet der höhere Punktewert. Die Punkte beider Tanzpartner werden zusammengezählt. Beide beteiligten Spieler rücken ihre Zählsteine jeweils die volle Summe auf der Zählleiste vorwärts. Danach werden die beiden beteiligten Gäste-Kärtchen umgedreht.

 

Das Spiel endet, wenn alle Spieler ihre Gäste-Kärtchen gespielt haben. Nun wird noch der Erfolg am Buffet gewertet. Für jedes komplette Set aus den fünf verschiedenen Genüssen gibt es 5 Punkte, wobei Champagner als Joker gilt und einen beliebigen Genuss ersetzen kann. Übrige Genüsse bringen nichts ein. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt die heiße Schlacht um das Kalte Buffet und um die flotteste Sohle am Wiener Tanzparkett.

 

„Wiener Walzer“ ist ein typisches Knizia-Spiel. Der Kult-Autor verknüpft darin geschickt zwei verschiedene Wertungssysteme, welche den Spielern entweder Sofortpunkte oder Punkte in einer Endwertung bescheren.

 

Besonders in der ersten Hälfte des Spiels wird man versuchen, möglichst wertvolle Buffetplättchen zu sammeln. Dabei gilt es vor allem solche mit gleich mehreren Genüssen zu ergattern. Da es aber nur Punkte für vollständige Sätze gibt, wird man sich wohl oder übel später auf noch fehlende Genüsse konzentrieren. Auch Champagner-Plättchen sind aufgrund ihrer Joker-Funktion dann eine beliebte Alternative. Insgesamt findet man dabei aber wenig taktische Finesse, das Wertungsschema der Buffetplättchen ist eher einfach gestrickt.

 

Die Sache mit den Tanzpartnern ist da schon etwas raffinierter. Man will ja möglichst viele Mitglieder seiner Delegation tanzen lassen, um viele Punkte zu kassieren. Und die Tanzpartner sollen dabei auch einen möglichst hohen Punktewert aufweisen. Die Interaktion mit den Mitspielern erweist sich als recht interessant.

 

Einerseits ist ja jeder auf seinen Vorteil bedacht, weshalb es häufig zu einem Gerangel um einen wertvollen, punkteträchtigen Tanzpartner kommt. Andererseits kommt es auch zu internationaler Zusammenarbeit, wenn zwei Spieler bewusst ihre Gästekärtchen kombinieren. Hier gilt es also viele Faktoren zu berücksichtigen, wie unterschiedliches Geschlecht, die möglichen Aktionen der Mitspieler (ob negativ oder positiv), die Punktewerte auch der neutralen Gäste, etc.

 

In diesem Zusammenhang muss man Knizia zur gelungenen Regelung gratulieren, dass jedem Spieler in seinem Spielzug nur 1 Gästekärtchen zur Auswahl steht. Wir hatten diesen Regelpassus in unserer ersten Partie nämlich übersehen. Uns standen stets alle Gästekärtchen zur Verfügung, was lange Grübeleien aufgrund der vielen Möglichkeiten zur Folge hatte.

 

Man kann sowohl mit Buffetplättchen als auch mit Gästekärtchen viele Punkte machen. Die Kunst besteht darin, beides optimal miteinander zu kombinieren und in seinem Spielzug sowohl passende Genüsse zu sammeln als auch lukrative Tänzchen vorzubereiten. Wem dies am besten gelingt, wird schließlich gewinnen. Natürlich gehört dazu auch das gewisse Quäntchen Glück, damit man zum richtigen Zeitpunkt seine wichtigen Gästekärtchen vom Stapel zieht.

 

Zwei Dinge möchte ich noch lobend erwähnen: Zum einen die gute Abstimmung der Tanzfläche (= Spielfläche) auf die Spielerzahl, die in jeder Besetzung ausreichend „Konfliktzonen“ garantiert. Zum anderen die witzigen Namen der Gästekärtchen, die immer wieder für Schmunzeln sorgen (z. B. der Franzose Pierre Sans-Attrait oder die Russin Kosma Sputnicka).

 

Das Spiel beinhaltet noch eine Variante mit Ereigniskarten, welche immer dann ausgelöst werden, wenn ein Gästekärtchen mit dem Wert „0“ ausgespielt wird. Die Anweisung der gezogenen Ereigniskarte muss – wenn möglich – sofort ausgeführt werden. Die Auswirkungen – zumeist das Vertauschen von Plättchen oder Kärtchen unter bestimmten Voraussetzungen – sind meines Erachtens absolut unplanbar und unnötig, sodass wir in unseren Runden völlig darauf verzichten.

 

„Wiener Walzer“ bietet insgesamt solide Unterhaltung. Warum ich dem Spiel trotzdem keine besonders hohe Spielreiznote verpasse, liegt daran, dass es kein überragendes Spielgefühl vermittelt. Es fühlt sich nicht wie eine berauschende Ballnacht an, sondern wirkt eher etwas veraltet, bieder. Für Spieleliebhaber gibt es wenig Neues zu entdecken, und lediglich die eher kurze Spieldauer und die eingängigen Spielregeln sorgen in unseren Runden dafür, dass es ab und an einmal auf dem Spieltisch landet.

 

Bewertung:    3         Schilde

Zielgruppe:    Gelegenheitsspieler             ++

 

Info-Box:

Titel:                           Wiener Walzer

Art des Spiels:           Lege- und Sammelspiel

Spieleautor:               Reiner Knizia

Verlag:                       Piatnik Spiele

Jahrgang:                   2016

Spielerzahl:               2 bis 5 Spieler

Alter:                          ab 8 Jahren

Dauer:                                   ca. 45 Minuten

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