Cottage Garden – Rezension von Franky Bayer
Cottage Garden – Rezension von Franky Bayer
Nein, Botanik ist definitiv nicht meine Stärke. Säße ich bei „Wer wird Millionär?“ auf dem Stuhl und bekäme eine Frage über Pflanzen, bräuchte ich sogar in den ersten, babyleichten Runden sämtliche Joker und ginge dennoch anschließend leer nach Hause. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für eine Rezension zum Spiel „Cottage Garden“. Muss ich halt meiner botanischen Ignoranz all meine spielerische Kompetenz entgegensetzen…
Dabei kommt mir allerdings entgegen, dass ich rein gar nichts über Lippenblütler, Nachtschattengewächse oder Kreuzblütler wissen muss. Jeder von uns – bis zu vier Hobbygärtner können mitmachen – erhält zu Beginn einen Pflanztisch, auf dem er die sechs Wertungssteine (je drei in Orange und Blau) platziert, sowie zwei Blumenbeete, die er bepflanzen kann. Bis auf ein paar Pflanzglocken und Blumentöpfe sind die Beete, die jeweils 25 Felder (5 x 5) aufweisen, völlig leer. Noch.
Das ändert sich aber, denn im Laufe des Spiels legen wir Blumenbeete und andere dekorative Gartenelemente an. Zwar finden sich auf den 36 Blumenplättchen Pflanzen in den unterschiedlichsten Farben, was allerdings wirklich zählt, sind die verschiedenen Formen. Die Plättchen erinnern an „Tetris“ und können bis zu sechs Felder abdecken.
16 beliebige Plättchen kommen in die Gärtnerei, welche 4 Spalten mit je 4 Reihen aufweist. Der Rest wird etwas abseits in einen Pfad ausgelegt, an deren vorderstes Ende eine Schubkarre kommt. Der grüne Würfel (= der „Gärtner“) wird mit der Augenzahl „1“ auf den markierten Rand der Gärtnerei gestellt. Zum Abschluss der Vorbereitungsarbeiten erhält jeder Spieler noch 2 Katzenchips (1 Feld groß), das restliche Spielmaterial (Blumentöpfe, Katzen, Bienenkörbe und Sonnenschirm) bildet den Vorrat.
Der Spielzug eines Spielers gliedert sich in 4 Phasen. In der Auffüllphase wird die Reihe, vor der die Gärtnerfigur steht (= die „Gärtnerreihe“) mit Plättchen von Pfad aufgefüllt, wenn sich darin weniger als 2 Blumenplättchen befinden.
In der Pflanzphase darf sich der Spieler ein beliebiges Blumenplättchen aus der Gärtnerreihe nehmen und in eines seiner beiden Beete legen. Dabei darf er das Plättchen drehen und wenden, wie er will, außerdem darf er damit beliebige Felder auf dem Beet überdecken, jedoch nie bereits liegende Plättchen.
Die anschließende Wertungsphase tritt nur dann ein, sobald alle Felder eines Beetes gefüllt sind, also keine leere Felder mehr zu sehen sind. Für jeden sichtbaren Blumentopf muss er einen orangen Stein auf der orangen Leiste seines Pflanztisches vorwärts ziehen (entspricht je 1 Punkt). Ähnliches gilt für jede zu erkennende Pflanzglocke, für die er einen blauen Stein auf der blauen Leistes seines Pflanztisches bewegen darf (je 2 Punkte). Das gewertete Beet wird daraufhin geleert, indem die Blumenplättchen ans hintere Ende des Pfads gelegt werden. Dann tauscht der Spieler dieses Beet gegen ein neues Beet aus der Tischmitte.
In der Gärtnerphase wird schließlich der Gärtner-Würfel im Uhrzeigersinn ein Randfeld vorangesetzt. Immer wenn der Gärtner dabei das gekennzeichnete „Drehfeld“ erreicht, wird die Würfelzahl sofort um 1 erhöht. Wird der Gärtner dabei auf die „6“ gedreht, beginnt die Schlussrunde.
In dieser werden zuerst alle Beete entfernt, auf denen weniger als drei Blumenplättchen liegen, außerdem bekommt ein Spieler nach einer Wertung kein neues Beet. Sobald alle Beete aus dem Spiel genommen sind, endet das Spiel. Der Spieler, der mit allen orangen und blauen Steinen seines Pflanztisches die höchste Gesamtpunktezahl erzielt, gewinnt das Spiel.
„Gartenarbeit“ ist mal eine originelle, willkommene Abwechslung zu den sonst üblichen Themen von Spielen, wie Mittelalter, Science Fiction oder Fantasy. Damit spricht es auch andere Zielgruppen an. So wird etwa meine Frau, welche sonst nur bei Quiz- und lockeren Partyspielen mit von der Partie ist, zum Mitspielen animiert.
Das Puzzeln à la „Tetris“ ist ein Spielmechanismus, der ebenfalls viele Leute anspricht. Dies wird auch der Grund sein, dass Uwe Rosenberg erneut darauf zurückgreift, wie schon bei seinen gelungenen Werken „Patchwork“ oder „Ein Fest für Odin“. Im Gegensatz zu Ersterem kommt es hier jedoch nicht auf lückenlose Belegung einer Spieletafel an. Im Gegenteil: Um Punkte kassieren zu können, müssen bewusst die aufgedruckten Blumentöpfe und Pflanzglocken freigelassen werden.
Auf einigen der Blumenplättchen sind zwar ebenfalls Blumentöpfe oder Pflanzglocken abgebildet, welche ebenso berechnet werden, aber den Großteil der Punkte liefern die auf den Beeten aufgedruckten Blumentöpfe und Pflanzglocken. Diese sind übrigens auf den Beeten in jeweils anderer Zusammensetzung unterschiedlich verteilt, die damit zu erzielende Punktesumme beträgt aber stets 8 oder 9 Punkte.
Es kommt also für die Spieler darauf an, ihre Beete möglichst gut zu füllen. Mit größeren Blumenplättchen lassen sich Beete schneller vollenden. Im Idealfall kann ein Beet schon mit vier Plättchen voll sein. Die verflixten Formen und auch das momentane Angebot in der Gärtnerei lassen dies aber nicht immer zu, sodass man manchmal gezwungen ist, einzelne Felder übrig zu lassen. Diese lassen sich entweder mit speziellen Blumenplättchen (Einzelfeld mit Pflanzglocke) oder Katzenplättchen im eigenen Vorrat belegen. Oder man greift auf die alternative Möglichkeit in der Pflanzphase zurück, die es gestattet, statt eines Blumenplättchens einen einzelnen Blumentopf aus dem Vorrat einzusetzen.
Zwei Fähigkeiten braucht es bei „Cottage Garden“ für einen erfolgreichen Gärtner. Aufgrund der flachen Plättchen spielt es sich zwar bloß zweidimensional, da die Plättchen aber gedreht und gewendet werden dürfen, ist etwas räumliches Vorstellungsvermögen gefragt. Der beiliegende Sonnenschirm ist als praktischer Platzhalter gedacht, wenn man ein Plättchen aus der Gärtnerei nur mal so probieren möchte, dennoch empfehle ich, dessen Verwendung ein wenig zu beschränken. Allzu viel Ausprobieren und Herumtüfteln zerstört sonst unnötig den Rhythmus eines ansonsten recht flotten Legespiels.
Zum anderen erfordert es ein gewisses Maß an Vorausplanung und taktischer Effizienz. Die Markierungen am Spielfeldrand vereinfachen die Planung, denn damit erkennt man auf einen Blick, auf welche Reihen man in den nächsten Runden Zugriff hat, und kann daher besser vorplanen. Einige Entscheidungen wiederum verlangen taktisches Gespür. Beispielsweise kann es sehr wichtig sein, mit welchen Steine man die Punkte bei einer Wertung markiert.
In diesem Zusammenhang muss ich noch ein paar Besonderheiten des Pflanztisches erwähnen. Überschreitet man mit einem Stein die rote Linie, bekommt man sofort ein Katzenplättchen, welches man jederzeit auf eines seiner Beete legen darf. Allerdings darf man am Ende seines Zuges nicht mehr als 2 Katzenplättchen behalten. Zieht man seinen letzten orangen Stein vom Startfeld weg, erhält man einen Blumentopf, der allerdings sofort eingesetzt werden muss. Dieselbe Regel gilt übrigens auch für den letzen blauen Stein.
Das Zielfeld auf dem Pflanztisch ist besonders viel wert, denn während die vorletzten Felder der Leiste 15 (bei orange) bzw. 14 (bei blau) Punkte wert sind, zählt jeder Stein auf dem Zielfeld stolze 20 Punkte. Damit ist dieser letzte Schritt gleich 5 bzw. 6 Punkte wert. Außerdem gibt es für die ersten beiden Spieler, denen es gelingt, einen Stein auf ihr Zielfeld zu ziehen, Bienenkörbe (Wert 2 Punkte bzw. 1 Punkt) als Belohnung.
Die Schlusswertung verdient noch besonders viel Beachtung. Jeder Spieler sollte rechtzeitig darauf schauen, dass auf jedem seiner Beete mindestens drei Blumenplättchen liegen. Übersieht er dies, werden die Beete abgeräumt, und man hat wertvolle Punkte verschenkt. Gerade zum Schluss hin braucht es daher genaue Berechnung und taktisches Kalkül. Zwar verliert jeder Spieler, der zum Schluss noch Beete im Spiel hat, pro Runde zwei Punkte, doch mit mindestens 8 bis 9 Punkte pro fertigem Beet ist man damit dennoch klar auf der positiven Seite.
Positiv fällt auf, dass „Cottage Garden“ nur einen sehr geringen Glücksfaktor besitzt. Alles ist offen sichtbar, die Plättchen der Gärtnerei, die Auslagen und Beete der Mitspieler. Sogar die zukünftigen Blumenplättchen des Pfads liegen offen aus. Dafür beschränkt sich die Interaktion auf das – meist unbeabsichtigte – Wegschnappen von Blumenplättchen. Jeder ist hauptsächlich mit seinen eigenen Beeten beschäftigt und wird nur im Ausnahmefall eine Aktion gegen einen Mitspieler ausführen.
Der Vorteil der mangelnden Interaktion ist, dass es auch ausgezeichnet alleine zu spielen geht. Die Solo-Variante geht über 32 Spielzüge plus Schlussphase, während der man stets nur die erste und dritte Reihe einer Spielplanseite nutzt. Dabei versucht man, ein möglichst hohes Punkteergebnis zu erreichen.
Das Spielmaterial ist schön gestaltet, auch wenn es eine Weile gedauert hat, bis ich kapiert habe, dass sämtliche Flecken, schmutzige Stellen und scheinbare Abnutzungen in der Spielregel beabsichtigt sind. Insgesamt ein tolles taktisches Tüftel- und Puzzlespiel für bis zu vier Personen.
Franky Bayer
Bewertung: 4 1/2 Schilde
Zielgruppe: Gelegenheitsspieler ++
Info-Box:
Titel: Cottage Garden
Art des Spiels: Legespiel
Spieleautor: Uwe Rosenberg
Verlag: Edition Spielwiese
Vertrieb: Pegasus Spiele
Jahrgang: 2016
Spielerzahl: 1 bis 4 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 60 Minuten